Induzierte Seismizität

Die Menschheit muss bis 2050 auf der ganzen Welt klimaneutral agieren, um das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen und somit den Temperaturanstieg auf unter 2,0 °C, idealerweise aber auf unter 1,5 °C zu begrenzen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn mehrere Maßnahmen gleichzeitig ergriffen werden. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass der geologische Untergrund zu unseren Füßen zwischen 20 und 30 % zu der gesamten CO₂-Emissionsreduzierung beitragen kann. Dieser Beitrag stammt hauptsächlich aus der geologischen Kohlenstoffspeicherung, aber auch aus der Geothermie und der unterirdischen Energiespeicherung. Letztere ist besonders wichtig, da erneuerbare Energien nicht immer zu dem Zeitpunkt Energie produzieren, an dem wir sie brauchen. Daher müssen wir Energie in dem Moment speichern, an dem es einen Produktionsüberschuss gibt, und die gespeicherte Energie nutzen, wenn die Nachfrage die Produktion übersteigt. Da hierfür die Kapazität von Batterien nicht ausreicht, werden Energiespeicher in Form von Wasserstoff, Druckluftspeichern (CAES) oder thermischen Aquiferenergiespeichern (ATES) eine wichtige Rolle bei der effizienten Speicherung von Energie spielen.

Induced seismicityDer Nachteil dieser Geoenergien ist, dass wir bei der Injektion oder Extraktion von Flüssigkeiten aus dem Untergrund den Porenwasserdruck, die Temperatur, den Spannungszustand und die geochemische Zusammensetzung der geologischen Schichten verändern, was zu Seismizität führen kann, wenn Klüfte und/oder Störungszonen destabilisiert werden. Die wichtigsten Geo-Energie-Anwendungen, die Seismizität auslösen und somit von den Erkenntnissen des Projekts profitieren können, werden hier beschrieben, einschließlich der potenziellen Schäden für die Umwelt, Tiere und Pflanzen:

Geothermische Energie

Hierbei handelt es sich um eine erneuerbare Energiequelle, die ohne tägliche und saisonale Schwankungen Energie liefert und die weltweit verfügbar ist. Bei geothermischen Energieprojekten wird in der Regel Wasser aus derselben geologischen Schicht eingespeist und gefördert, wodurch ein geschlossener Kreislauf entsteht, in den das genutzte Wasser wieder zurück geführt wird. Insofern das System keine Undichtigkeiten aufweist, sollte es daher zu keinen negative Auswirkungen auf die Umwelt kommen. Bei der zirkulierenden Flüssigkeit handelt es sich in der Regel um Wasser, das jedoch eine hohe Konzentration an gelösten Ionen aufweist, da die hohe Temperatur der geologischen Schichten die Lösung von Mineralien fördert. Diese hohe Konzentration gelöster Ionen kann zu Mineralausfällungen führen, wenn Druck und Temperatur im Förderbrunnen nahe der Erdoberfläche sinken, was zu einer Verkalkung der Brunnen führt (z. B. Wanner et al., 2017). Dieses Problem verdeutlicht die Bedeutung der geochemischen Zusammensetzung des zirkulierenden Wassers für den Betrieb von Geothermieanlagen. Aus diesem Grund ist es ratsam, Maßnahmen zu ergreifen, die ein Austreten der zirkulierenden Flüssigkeit in die Umwelt im Falle eines Lecks verhindert. Als Alternative zu Wasser wird beispielsweise vorgeschlagen, Kohlendioxid (CO₂) als Arbeitsmedium für die Erzeugung geothermischer Energie zu verwenden (Brown, 2000; Randolph und Saar, 2011). In diesem Fall wird das gepumpte CO₂ auch wieder in den Untergrund injiziert und stellt somit keine Gefahr dar, es sei denn, es kommt zu einem Leck. In diesem Fall besteht keine Gefahr für die Umwelt, da das CO₂ bereits in der Atmosphäre vorhanden ist. Wenn sich das CO₂ jedoch in Vertiefungen oder im Keller von Gebäuden ansammelt, kann das für Menschen und Tiere tödlich sein, da sie daran ersticken können. Daher sollten CO₂-Detektoren an der Oberfläche entlang der Rohre angebracht werden, um einen eventuellen CO₂-Austritt frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu beheben.

Geologische Kohlenstoffspeicherung

Ziel dieser Anwendung ist die dauerhafte Speicherung großer Mengen an CO₂ in tiefen Gesteinsschichten, um den Klimawandel abzuschwächen. Im Falle einer erfolgreichen Speicherung verbleibt das CO₂ dauerhaft tief im Untergrund. Es besteht jedoch das Risiko, dass ein kleiner Teil des injizierten CO₂ entlang von Bohrlöchern, Verwerfungen oder durch das Deckgestein entweicht. CO₂-Leckagen entlang von Bohrlöchern können durch regelmäßige Überwachung der CO₂-Konzentration am Bohrlochkopf festgestellt werden. Ein solcher Vorfall ereignete sich ein einem Bohrloch des Pilotprojekts zur CO₂-Speicherung in In Salah, Algerien. Dort konnte das Leck allerdings sofort erfolgreich beseitigt werden (Ringrose et al., 2009). Andererseits kann ein CO₂-Austritt durch das Deckgestein oder durch Verwerfungen zu einem diffusen Austritt führen, der schwieriger zu erkennen und zu beheben ist. Außerdem muss CO₂ nicht unbedingt die Erdoberfläche erreichen, um die Umwelt zu schädigen. Wenn CO₂ in Süßwasser-Grundwasserleiter gelangt, kann es die Trinkwasserressourcen durch Versäuerung des Wassers und Freisetzung von Schwermetallen verunreinigen (Wang und Jaffe, 2004). Anderersits kann CO₂ aufgrund des dafür notwenigen hohen Eintrittsdrucks normalerweise nicht in das Deckgestein eindringen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit eines CO₂-Austritts durch Deckschichten sehr gering, insbesondere wenn diese Schichten dick sind oder in mehrschichtigen Sedimentbecken liegen (Birkholzer et al., 2009). Eine aktivere Debatte wurde über die Möglichkeit geführt, dass induzierte Seismizität die Durchlässigkeit von Verwerfungen erhöhen kann, was zu CO₂-Austritten führt (Zoback und Gorelick, 2012a, 2012b, 2015; Juanes et al., 2012; Vilarrasa und Carrera, 2015a, 2015b). An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass das kristalline Grundgebirge meist stark unter Spannung steht, die Sedimentgesteine, in die CO₂ eingepresst werden soll, in der Regel jedoch nicht (Vilarrasa und Carrera, 2015). Aus diesem Grund entstehen die induzierten Erdbeben meist im kristallinen Grundgebirge unterhalb der relevanten Speicherschichten, so dass die Durchlässigkeit der Verwerfungen lediglich unterhalb und nicht oberhalb der Speicherformation erhöht wird (Verdon, 2014). Außerdem sind Verwerfungen in Sedimentbecken sehr heterogen, da sie mehrere Aquifer-Gesteinsabfolgen durchqueren. Diese Heterogenität behindert den CO₂-Fluss nach in Richtung Erdoberfläche, wenn das CO₂ eine Verwerfung erreicht (Rinaldi et al., 2014). Dennoch muss eine Überwachung und Interpretation der gemessenen Daten durchgeführt werden, um CO₂-Austritte rechtzeitig zu erkennen und zu sanieren (Zeidouni und Pooladi-Darvish, 2012).

Druckluftenergiespeicher (CAES)

Diese Geoenergieanwendung besteht darin, Luft unter hohem Druck in einen Grundwasserleiter zu injizieren, wenn die Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen den Strombedarf übersteigt. Nachfolgend wird aus der Druckluft mittels einer Turbine Strom gewonnen, wenn der aktuelle Bedarf die Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen übertrifft. Da es sich bei der eingeleiteten Flüssigkeit um gewöhnliche Luft handelt, stellt diese Anwendung keine Gefahr für die Umwelt, Tiere oder Pflanzen dar. Allerdings sollte das Wasser der Grundwasserleiter, in die Luft eingeblasen wird, nicht für andere Zwecke verwendet werden, da der Sauerstoff aus der eingepressten Luft die Geochemie des Grundwasserleiters verändern kann.

Erdgasspeicherung

Die unterirdische Gasspeicherung (UGS) wird routinemäßig aus strategischen Gründen durchgeführt, um die Gasversorgung in Zeiten hoher Nachfrage sicherzustellen. In Zeiten geringerer Gasnachfrage, in der Regel im Sommer, wird das Gas gespeichert und bei Nachfragespitzen wieder entnommen. Das Risiko der Auslösung von Seismizität bei UGS-Anwendungen ist gering, da die bereits bestehenden 640 UGS-Standorte weltweit, von Ausnahmen abgesehen (z.B. das Fall Castor), keine spürbare Seismizität ausgelöst haben. Dennoch sollte darauf geachtet werden, dass kein Gas austritt, da das darin enthaltene Methan brennbar ist.

Da induzierte Seismizität in der Regel mit Hydraulic Fracturing in Verbindung gebracht wird, widmen wir an dieser Stelle einige Zeilen der Erläuterung dieser Anwendung im Geoingenieurwesen:

Hydraulic Fracturing

Beim Hydraulic Fracturing, in Deutschland auch bekannt als „Fracking“, wird eine Flüssigkeit unter hohem Druck in eine Gesteinsschicht eingepresst, um Risse in diesem Gestein zu erzeugen. Genauer gesagt wird die Flüssigkeit wird mit einem so hohen Druck eingespritzt, dass die minimale Effektivspannung im Gestein die Zugfestigkeit des Gesteins übersteigt. Dadurch entsteht ein Zugbruch senkrecht zur Richtung der minimalen Effektivspannung. Die entstanden Risse erhöhen maßgeblich die Durchlässigkeit des Gesteins, vereinfacht gesagt können sich somit jegliche Arten von Flüssigkeiten und Gasen einfacher durch das Gestein bewegen. Aus diesem Grund wird Hydraulic Fracturing meist durchgeführt, um die Durchlässigkeit von gering durchlässigem Gestein zu erhöhen. Die Technik kann zur Stimulation von Bohrlöchern in der Geothermie eingesetzt werden, wobei die bekannteste Anwendung die Gewinnung von Schiefergas ist. Als Injektionsflüssigkeit wird in der Regel Wasser verwendet, es wurde aber auch bereits die Verwendung von CO₂ in Erwägung gezogen (Middleton et al., 2015). Die Schiefergasindustrie fügt dem Wasser in der Regel Zusatzstoffe zu, die für die Umwelt gefährlich sein können, um die Leistung der Hydraulic Fracturing-Operationen zu verbessern. Außerdem kann es in der zurückfließenden Flüssigkeit, die im Anschluss an einen Hydraulic Fracturing Einsatz wieder zum Bohrloch fließt, zu einer radioaktiven Kontamination kommen, nachdem die Flüssigkeit mit den Radionukliden in Kontakt gekommen ist, die im gefrackten Schiefergestein vorhanden sind. Daher muss der Rückfluss aus einem Hydraulic Fracturing Einsatz mit äußerster Vorsicht gehandhabt werden. Was die induzierte Seismizität betrifft, so erzeugt Hydraulic Fracturing mikroseismische Ereignisse von so geringer Stärke, dass sie an der Erdoberfläche nicht zu spüren sind. In seltenen Fällen aus der Vergangeheit sind durch Hydraulic Fracturing erzeugte Riss auf eine bereits bestehende Störungszonen getroffen und haben diese derart unter Druck gesetzt, dass es zu einer Reaktivierung der Störungszone und somit zum Auftreten eines spürbaren Erdbebens an der Erdoberfläche kam. Die gefühlte Seismizität wird jedoch nicht direkt durch Hydraulic Fracturing ausgelöst, sondern durch die bereits bestehenden Störungszonen. Dennoch ist zu betonen, dass die Umweltrisiken im Zusammenhang mit der chemischen Zusammensetzung des Rückstaus im Vergleich zu dem Risiko der induzierten Seismizität völlig unterschiedlich sind. Auch wenn die Risiken im Zusammenhang mit der induzierten Seismizität beim Hydraulic Fracturing gering sind, sollten die Umweltrisiken im Zusammenhang mit solchen Verfahren standortspezifisch bewertet werden, um über die Durchführbarkeit deartiger Projekte gewissenhaft zu entscheiden.

 

 

QUELLEN

Birkholzer, J. T., Zhou, Q., & Tsang, C. F. (2009). Large-scale impact of CO₂ storage in deep saline aquifers: A sensitivity study on pressure response in stratified systems. International Journal of Greenhouse Gas Control, 3(2), 181-194.

Brown, D. W. (2000). A hot dry rock geothermal energy concept utilizing supercritical CO₂ instead of water. In Proceedings of the twenty-fifth workshop on geothermal reservoir engineering, Stanford University (pp. 233-238).

Juanes, R., Hager, B. H., & Herzog, H. J. (2012). No geologic evidence that seismicity causes fault leakage that would render large-scale carbon capture and storage unsuccessful. Proceedings of the National Academy of Sciences, 109(52), E3623-E3623.

Middleton, R. S., Carey, J. W., Currier, R. P., Hyman, J. D., Kang, Q., Karra, S., Jimenez-Martinez, J., Porter, M. L., & Viswanathan, H. S. (2015). Shale gas and non-aqueous fracturing fluids: Opportunities and challenges for supercritical CO₂. Applied Energy, 147, 500-509.

Randolph, J. B., & Saar, M. O. (2011). Combining geothermal energy capture with geologic carbon dioxide sequestration. Geophysical Research Letters, 38(10), L10401.

Rinaldi, A. P., Jeanne, P., Rutqvist, J., Cappa, F., & Guglielmi, Y. (2014). Effects of fault‐zone architecture on earthquake magnitude and gas leakage related to CO₂ injection in a multi‐layered sedimentary system. Greenhouse Gases: Science and Technology, 4(1), 99-120.

Ringrose, P., Atbi, M., Mason, D., Espinassous, M., Myhrer, Ø., Iding, M., Mathieson, A., & Wright, I. (2009). Plume development around well KB-502 at the In Salah CO₂ storage site. First Break, 27(1).

Verdon, J. P. (2014). Significance for secure CO₂ storage of earthquakes induced by fluid injection. Environmental Research Letters, 9(6), 064022.

Vilarrasa, V., & Carrera, J. (2015a). Geologic carbon storage is unlikely to trigger large earthquakes and reactivate faults through which CO₂ could leak. Proceedings of the National Academy of Sciences, 201413284.

Vilarrasa, V., & Carrera, J. (2015b). Reply to Zoback and Gorelick: Geologic carbon storage remains a safe strategy to significantly reduce CO₂ emissions. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(33), E4511-E4511.

Wang, S., & Jaffe, P. R. (2004). Dissolution of a mineral phase in potable aquifers due to CO₂ releases from deep formations; effect of dissolution kinetics. Energy Conversion and Management, 45(18-19), 2833-2848.

Wanner, C., Eichinger, F., Jahrfeld, T., & Diamond, L. W. (2017). Causes of abundant calcite scaling in geothermal wells in the Bavarian Molasse Basin, Southern Germany. Geothermics, 70, 324-338.

Zeidouni, M., & Pooladi-Darvish, M. (2012). Leakage characterization through above-zone pressure monitoring: 2—Design considerations with application to CO₂ storage in saline aquifers. Journal of Petroleum Science and Engineering, 98, 69-82.

Zoback, M. D., & Gorelick, S. M. (2012a). Earthquake triggering and large-scale geologic storage of carbon dioxide. Proceedings of the National Academy of Sciences, 109(26), 10164-10168.

Zoback, M. D., & Gorelick, S. M. (2012b). Reply to Juanes et al.: Evidence that earthquake triggering could render long-term carbon storage unsuccessful in many regions. Proceedings of the National Academy of Sciences, 109(52), E3624-E3624.

Zoback, M. D., & Gorelick, S. M. (2015). To prevent earthquake triggering, pressure changes due to CO₂ injection need to be limited. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(33), E4510-E4510.